Genderaspekte in Horizont Europa

In Horizont Europa sind Genderaspekte an verschiedenen Stellen im Antrag zu beachten.

Blick auf den Rücken einer Frau, die ihre Arme ausgebreitet hat und die EU-Flagge festhält.

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Im Rahmenprogramm Horizont Europa wird Genderaspekten ein größerer Stellenwert beigemessen als in früheren Rahmenprogrammen. Die Europäische Kommission widmet dem Thema eine eigene Website. Hier ein kurzer Überblick zu den genderbezogenen Anforderungen einschließlich Hinweisen, wo und wie dies bei der Antragstellung zu berücksichtigen ist. Zu den erstgenannten beiden Punkten gibt es auch ein eigenes Faktenblatt der Europäischen Kommission (nur auf Englisch verfügbar; aktuelle Version von Juni 2021).

Teilnahmevoraussetzung: Gleichstellungsplan (Gender equality plan, GEP)

Ab 2022 sind alle öffentlichen Einrichtungen in Mitgliedstaaten und assoziierten Staaten einschließlich Hochschulen und Forschungseinrichtungen verpflichtet, einen Gleichstellungsplan zu haben. Andernfalls sind sie nicht mehr förderfähig.

Kurz erklärt: Elemente eines Gleichstellungsplans entsprechend der Vorgaben der Europäischen Kommission

Formal muss ein Gleichstellungsplan folgende vier Elemente umfassen:

  • Publikation: formales Dokument, auf der Seite der Einrichtung veröffentlicht und von der Einrichtungsleitung unterschrieben (es darf sich jedoch auch um mehrere Dokumente handeln, und die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente kann auch auf das Intranet beschränkt sein; siehe weiter unten);
  • Fest eingeplante Ressourcen: Personalressourcen und Gender-Expertise zur Umsetzung;
  • Datenerhebung und Monitoring: Nach Geschlecht disaggregierte Daten zum Personal (und wo zutreffend auch zu Studierenden) sowie jährliche Berichterstattung auf Basis von Indikatoren
  • Training: Bewusstmachung / Trainings zu Geschlechtergleichheit und unbewussten Vorurteilen für Personal und Führungskräfte.

Ferner wird von der Europäischen Kommission empfohlen, dass der Gleichstellungsplan folgende Inhalte abdeckt und mittels konkreter Maßnahmen und Ziele angeht:

  • Verhältnis von Arbeit und Freizeit (work-life balance) und Organisationskultur;
  • Ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Führung und Entscheidungsfindung;
  • Geschlechtergerechtigkeit bei Einstellung und Karriereentwicklung;
  • Integration der Gender-Dimension in Forschungs- und Lehrinhalt;
  • Maßnahmen gegen geschlechtsbasierte Gewalt, einschließlich sexueller Belästigung.

Hier können Sie die Anforderungen der Europäischen Kommission dazu nachlesen; dort werden auch entsprechende häufig gestellte Fragen beantwortet. So wird zum Beispiel erklärt, dass es auch genügt, wenn es verschieden Dokumente gibt, die in Summe die oben genannten Anforderungen abdecken. Und es müssen auch keine vertraulichen Inhalte im öffentlich zugänglichen Internet publiziert werden; wenn die für alles Mitarbeitenden relevanten Information im jeweiligen Intranet zugänglich sind.

Bei der Antragstellung muss nur im Formularteil A 2 (Participants) entsprechend angekreuzt werden, ob die Einrichtung über einen Gleichstellungsplan verfügt oder nicht. Dessen Vorhandensein kann im Laufe des Projekts mittels eines sogenannten "compliance checks" überprüft werden. Liegt er entgegen aller Angaben nicht vor, wird dies zu einem Ausschluss der jeweiligen Partnereinrichtung aus dem Projekt führen. Je nach Bedeutung der Einrichtung für das Projekt kann dies in der Konsequenz auch ein Scheitern des Projekts zur Folge haben.

Zu den Gender Equality Plans (GEPs) gibt es diverse Hilfestellungen: durch ein Online-Seminar der Europäischen Kommission aus Juni 2022, das auf der entsprechenden Website als Video zur Verfügung steht, durch eine Handreichung der Europäischen Kommission zur Erstellung von GEPs, aber auch durch zuvor strategisch eingerichtete EU-Projekte:

  • GEAR Tool;
  • Communities of practice on GEPs: ACT;
  • Training on GEPs and gender equality issues in R&I: GE Academy;
  • Evaluation framework and designing tools for gender equality measures in R&I: EFFORTI.

Bewertungselement: Gender-Dimension in Forschung / Innovation integrieren

Im Strategischen Plan 2021 - 2024 ist festgelegt: "Gender equality is a cross-cutting priority in Horizon Europe and concerns all programme parts. […] and the integration of the gender dimension will be a requirement by default in research and innovation content across the whole programme, unless its nonrelevance is duly justified. This integration is particularly relevant for global challenges […] in which sex and/or gender differences play an important role, and hence determine the societal relevance and quality of research and innovation outcomes."

Dementsprechend wird die angemessene Berücksichtigung der Gender-Dimension im Forschungsinhalt als ein Element der wissenschaftlichen Exzellenz gesehen und muss mithin im Antragsteil zu Exzellenz (1.2 Methodology) behandelt werden. Dort wird aufgefordert:

"Describe how the gender dimension (i.e. sex and/or gender analysis) is taken into account in the project’s research and innovation content [e.g. 1 page]. If you do not consider such a gender dimension to be relevant in your project, please provide a justification."

Es ist also nun für jegliche Projekte innerhalb von Horizont Europa unabdingbar, sich des Themas anzunehmen. Selbst wenn es wirklich für ein Projekt keine Rolle spielt, muss dies nachvollziehbar dargelegt werden; die alleinige Aussage, Genderaspekte seien hier irrelevant, wird nicht ausreichen.

Einzige Ausnahme: Nur wenn ausdrücklich im Ausschreibungstext (Topic) erklärt wird, dass Genderaspekte keine Rolle spielen, kann auf eine entsprechende Erläuterung verzichtet werden. Auch dies ist in den Anmerkungen zum Antragsformular festgehalten:

"Note: This section is mandatory except for topics which have been identified in the work programme as not requiring the integration of the gender dimension into R&I content."

Tipps, konkrete Erläuterungen und detaillierte Fallbeispiele, inwieweit die Gender-Dimension im Forschungsinhalt eine Rolle in verschiedenen Themenfeldern geben kann, gibt es im Bericht des EU-Projekts Gendered Innovations 2. Auch hat die Kontaktstelle FiF im Jahr 2021 eine englischsprachige Online-Workshop-Reihe zum Thema gestartet, die zu verschiedenen Themenfeldern Beispiele gibt, was denn "Gender dimension in research" konkret bedeuten kann.

Ferner ist im Antrag im Teil "Implementation" unter 3.2 (Capacity of participants and consortium as a whole) anzugeben, inwieweit das Konsortium insgesamt Expertise zu Genderaspekten in Forschung und Innovation mitbringt.

Wenn bei der Antragstellung der Eindruck entsteht, dass das Konsortium in der Projektdurchführung ein Gender-Training benötigt, sollten dafür von Vornherein entsprechende Kosten ins Budget eingeplant werden. Nur dann können diese auch über das Projekt abgerechnet werden.

Ranking-Kriterium: ausgewogene Teams (Gender balance)

Für den Fall, dass punktgleich bewertete Projektvorschläge in eine Rangreihenfolge zu bringen sind, müssen Hilfskriterien hinzugezogen werden. So kommt es, dass die Geschlechter-Ausgewogenheit in der Team-Zusammenstellung das Zünglein an der Waage sein kann – das ist in der Vergangenheit tatsächlich schon vorgekommen! Während die "Gender balance" hier im alten Rahmenprogramm noch an vierter Stelle stand, ist dieses Kriterium nun an die dritte Stelle aufgerückt.

Damit eine Bewertung hier möglich ist, wird im Antrag im Formularteil A2 (Participants) dazu aufgefordert, in der Liste der wesentlichen, bei Projektantrag bereits namentlich bekannten Beteiligten (Researchers involved in the proposal) deren Geschlecht anzugeben. Dabei wird nun erstmals im Formularteil die Möglichkeit gegeben, auch ein nicht-binäres Geschlecht anzugeben (male / female / non-binary).

Besonderheit beim ERC

Für Ausschreibungen der sogenannten "Starting Grants" und "Consolidator Grants" des Europäischen Forschungsrats (ERC) gilt weiterhin eine gewisse Erleichterung für Frauen: Üblicherweise beträgt das Zeitfenster, das zwischen Promotion und ERC-Antrag liegt, bei Starting Grants  2 - 7 Jahre beziehungsweise bei Consolidator Grants 7 bis 12 Jahre. Dieses Zeitfenster verlängert sich für Frauen bei Elternschaft pauschal um 18 Monate pro Kind; für Männer nur um die nachweislich genommene Elternzeit.

Wenn der Antrag erfolgreich war: Genderaspekte im Vertrag mit der Europäischen Kommission

War der Antrag erfolgreich, schließt die koordinierende Einrichtung einen Vertrag mit der Europäischen Kommission über das Projekt. In dieser Musterzuwendungsvereinbarung (Model Grant Agreement) verpflichtet sich das Konsortium zum Einsatz für Chancengleichheit im Projekt. Wörtlich heißt es dort:

"Article14: Gender mainstreaming
The beneficiaries must take all measures to promote equal opportunities between men and women in the implementation of the action and, where applicable, in line with the gender equality plan. They must aim, to the extent possible, for a gender balance at all levels of personnel assigned to the action, including at supervisory and managerial level."